Sind Sie offen für Innovationen? Sie arbeiten mit Facebook, Twitter oder speziellen Blog-Plattformen, pflegen den Austausch mit Ihren Kollegen und haben Interesse an der Meinung des anderen. Bei Kunden sind Sie ganz Ohr und bürsten Ihre eigene, Ihnen allzu gut bekannten Gedanken immer mal wieder gegen die gewohnte Strichrichtung? Und so wie bei Ihnen verhält es sich eigentlich überall an ihrem Arbeitsplatz, die Unternehmenskultur gilt als offen, flexibel, effizient und immer auf dem neuesten Stand – ein Traumszenario; die Realität sieht bekanntlich anders aus.In der Phase 2.0 des bereits laufenden Collaboration-Zeitalters vollzieht sich der Wandel zu einer intern medialisierten Unternehmenskultur nur zögerlich. Und auch wenn sich Social Media mittlerweile branchenübergreifend in den Unternehmen etabliert hat, dominiert nach wie vor die Nutzung für den externen Einsatz, hinter dem die internen Plattformen noch weit zurückstehen.
Warum ist das so, liegen die Vorteile der effizienteren Vernetzung einer immer globaler agierenden Arbeitswelt doch auf der Hand?
Ein Blick auf erfolgreiche Unternehmen, in denen das soziale Miteinander und der Wissenstransfer zu stimmen scheinen zeigt, dass es einen Zusammenhang geben muss, zwischen Leistung und dem Austausch von Informationen, von Erfolg und gutem Betriebsklima. Profit und Kultur schließen sich also keineswegs aus, sondern ergänzen und bedingen einander auf das Beste. Dies dokumentiert u.a. die groß angelegte Studie der Harvard Professoren John Kotter und Jim Heskett, die über einen Zeitraum von 11 Jahren erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen miteinander verglichen. Ergebnis der Langzeitstudie war, dass Firmen mit einer ausgeprägten Kultur ihren Gewinn in diesem Zeitraum im Durchschnitt um 756 % steigern konnten, die Unternehmen mit einer weniger ausgeprägten Kultur jedoch nur um 1 % (Kotter/ Heskett 1992).
Mit dieser grundlegenden Untersuchung war die Verzahnung von Kultur mit wirtschaftlichem Erfolg belegt und das Thema zur Managementmethode erhoben. Gegenstand neuerer Studien ist seitdem folgerichtig immer wieder die Frage, inwieweit sich eine bestimmte Kultur gezielt im Unternehmen etablieren lässt. Zu den ausschlaggebenden Faktoren gehören nach dem Organisationspsychologen Edgar Schein dazu 3 Ebenen: Artefakte (sichtbare Prozesse u. Strukturen), Werte und Annahmen (Schein, 2003/ 2006). Dabei gilt die 1. bis 2. Ebene als von der Geschäftsführung strategisch vermittelbar, aber die den Werten zugrunde liegenden Annahmen sind unsichtbar und schwer zugänglich. Sonja Sackmann ergänzt Scheins Modell durch weitere Kategorien der Verhaltensnormen, der gelebten und gezeigten Werte, wozu auch die Unternehmensleitbilder gehören. Aus der Erkenntnis, dass sich alle Kategorien gegenseitig beeinflussen, resultiert, dass nur über die Veränderung von Abläufen, Spielregeln und gezeigten Werten langsam auch eine Veränderung und Akzeptanz in der inneren Haltung der Mitarbeiter erreicht werden kann.
Für Social Media bedeutet das, dass die Integration sich auf allen 3 Ebenen vollziehen muss: Die neuen Systeme sollten in Artefakten sichtbar sein, in ihren Werten bis hinein in die Führungsebene anerkannt und schließlich über alle Anwender moderiert werden.
Soweit zur Theorie und damit zum Kern des Problems in der Praxis:
Was macht es für Unternehmen so schwierig, dem goldenen Beispiel der erst wenigen Vorbilder zur Unternehmenskultur 2.0 zu folgen?
Bisher ist zu beobachten: Je größer das Unternehmen ist, desto klarer das Bekenntnis zu den neuen Ansätzen rund um Social Media. Doch die Einführung der neuen Kanäle scheint in der Praxis nicht ohne Reibungsverluste zu verlaufen.
Ein Grund dafür liegt in der Mitarbeiterstruktur der Unternehmen. Hier treffen erfahrene und routinierte ältere Mitarbeiter auf die ‚Generation Facebook’ der um die 30jährigen.
Social Media soll sie alle verbinden, diejenigen die mit Fax und Telefon oft Jahrzehnte erfolgreich gearbeitet und Kontakte gepflegt haben mit denjenigen, für die IPhone und Notebook die Verbindung zur Außenwelt und nicht selten eine Art virtuelles Gedächtnis darstellt. Was für die einen eine Art medialer Kulturschock bedeutet, wird von den anderen als selbstverständliche Ausstattung des Arbeitsplatzes erwartet, die entscheidet, ob das jeweilige Unternehmen überhaupt attraktiv genug ist, um sich dort zu bewerben.
Soll der anstehende Generationenwechsel irgendwann gelingen, müssen beide Seiten zur Interaktion kommen; ein Dialog, der offenbar sorgfältig moderiert werden muss, denn die Gründe für die ablehnende Haltung den neuen Medien gegenüber sind vielfältig:
Genannt wird, neben der aktuellen Datenschutz und -Missbrauchsdebatte, immer wieder der Eindruck der Überfrachtung mit den neuen Systemen. Nach einer Phase der Einarbeitung wird bei den unterschiedlichen Alters- und somit Nutzerstrukturen gleichermaßen die Anwendungssicherheit vorausgesetzt, was in der Praxis jedoch eher selten der Fall ist. Was vor allem bei den älteren Mitarbeitern ankommt, ist keine Erleichterung des Informationsaustausches, sondern eine Zusatzbelastung zu den weiter bestehenden alten Aufgabenfeldern.
Überforderung und Furcht sich zu blamieren werden nicht selten begleitet von der veritablen Angst zu scheitern, für die neuen Netzwerke der Firma nicht mehr leistungsfähig genug zu sein und den Überblick zu verlieren. Das Resultat ist eine ablehnende Haltung gegenüber jeder weiteren Neuerung.
Jüngere Mitarbeiter hingegen sind genervt ob der von ihnen geforderten Rücksicht, die Interaktion mit den neuen Medien geht ihnen zu langsam und unflexibel.
Wenn Social Media gelingen soll, dann gilt es, diese Schwierigkeiten ernst zu nehmen. Für alle muss klar sein, die Implementierung solcher Netzwerke bedeutet erst einmal Arbeit und Umstellung. Netzwerken 2.0 muss gelernt sein und ist kein „Nebenbei-Produkt“, aus dem dann wie von selbst größte Effizienz und Informationsdichte entsteht.
In der Praxis heißt das, es muss Freiraum geschaffen werden, die neuen Systeme zu erlernen. Nur wenn alle Akteure in ihren unterschiedlichen Levels erkannt und eingebunden werden, kann zuletzt die ganz Mannschaft mit an Bord gehen und die Social Media Flotte ablegen.
Und es sind nicht nur die Älteren die sich, um im Bild zu bleiben, bemühen müssen, das Bordticket zu erhalten. Manche Zweifel ob der neuen Medien sind berechtigt: Es gibt Irrtümer ohne Korrektur, Falschmeldungen ohne Filter und Wikipedia ist nicht unbedingt der Gral der weisen Masse…
Junge User wissen gut, woher sie ihre Informationen beziehen können, ihr mentales Update geschieht im Rhythmus des Klackerns einer Tastatur im Miniformat. Wenn es aber darum geht, dieses Wissen zu fundieren, den Wahrheitsgehalt abzuklopfen, herauszufinden, woher die Quelle kommt, dann versandet die Recherche oft im Feld der Annahme. Das Wissen von erfahrenen Kollegen ist hier hilfreich, der Umgang mit klassischen Medien, gewachsenen Kontakten und kurz, das persönliche Gespräch ebenso.
„Wo ist die Weisheit, die wir in Information verloren haben?“ fragte einst Thomas Stearns Eliot und trifft damit den Kern der Sache, geht es doch darum, dass Wissen ohne subjektiv gelebte Weisheit kaum anwendbar ist.
Für eine gelingende moderne Unternehmenskultur gilt also, beides zu integrieren, die neuen Medien mit ihren schnellen Kanälen sowie das fundierte Wissen erfahrener Köpfe eines jeden Unternehmens. Social Media könnte die Schnittmenge sein, in der sich Interessen und Ambitionen von Akteuren unterschiedlichster Prägung treffen. Aber nur mit einem Miteinander, das auch intern geprägt ist von Wertschätzung des anderen und seinen Fähigkeiten, kann dieser Austausch stattfinden. Dabei gilt, wer anders ist als die Menge, ist kein Störfaktor, sondern ein echter Zugewinn. Der unternehmerische Aufbruch in ein neues mediales Zeitalter – und um nicht weniger geht es hier – kann nur gelingen, wenn alle klugen Köpfe mit auf Kurs sind.