Beitrag

4 Provokationen zu Enterprise 2.0 und Social Media

Sind Enterprise 2.0 und Social Media wirklich die bahnbrechend neuen Technologien und Kommunikationsformen? Müssen sich Unternehmenskulturen und -organisationen jetzt grundlegend neu aufstellen? Dazu hier einmal ein bewusst provokant formulierter Kontrapunkt:

Enterprise 2.0 schafft keine neue Unternehmensorganisation

In verschiedenen Blog-Beiträgen, z.B. von Mirko Lange, zu Corporate Social Media wird die These aufgestellt, dass Social Media neue Organisationsstrukturen schafft. Die ’neue‘ Form der Kommunikation (Transparenz, Dialog, Authentizität etc.) würde neue Formen der Zusammenarbeit und des betrieblichen Miteinanders bedingen. Welch ein Unsinn! Gute und erfolgreiche Unternehmen kommunizieren schon immer auf diese Weise mit Ihren Mitarbeitern. Und welche neuen Organisationsformen sollen denn entstehen? Neue Formen der Partizipation, der Wertschöpfung oder gar neue Entscheidungsstrukturen? All dies habe ich bisher bei keinem der sog. Best Practice Unternehmen entdecken können. Was sich ändert, sind die Medien, mit denen Entscheidungen vorbereitet und dann evtl. kommuniziert werden. Der Kern einer Unternehmensorganisation wird dadurch jedoch keineswegs angetastet. Man agiert schneller und vernetzter, aber eben nicht in einer neuen Unternehmensorganisation. Basisdemokratische Unternehmen habe ich bisher noch nicht entdecken können.

Enterprise 2.o schafft keine neuen Prozesse

In der Diskussion mit Hr. Bentele, dem CIO der Rheinmetall, sind wir zu dem wohlbegründeten Ergebnis gekommen, dass Enterprise 2.0 oder Social Media keinen einzigen neuen Geschäftsprozess schafft. Autos werden nicht revolutionär anders entworfen, gebaut oder vertrieben, Mitarbeiter werden nicht anders ‚verwaltet‘, Logistik- oder Einkaufsprozesse werden nicht grundlegend modifiziert. Der Kern der Wertschöpfung eines Unternehmens wird durch Enterprise 2.0 nicht angetastet. Enterprise 2.0 steuert zu den etablierten Prozessen wohl aber neue Komponenten bei, sie werden also eher durch Informationen und Kommunikationselemente angereichert. Die wirklich neuen Prozesse in Unternehmen werden eher durch Veränderungen im Geschäftsmodell, geänderte politische Rahmenbedingungen oder durch neue Kerntechnologien hervorgerufen (z.B. Elektro oder Brennstoffzelle statt Verbrennungmotor, neue Übertragungstechnologien etc.).

Enterprise 2.0 ändert nicht die Unternehmenskultur

Aus der Erfahrung unserer Projekte sehen wir immer wieder, dass Mitarbeiter mit Hilfe der neuen Medien sicher in einer neuen Form kommunizieren. Mail-Inhalte werden zunehmend kürzer und ‚unterkomplex‘, über soziale Plattformen wird in der Regel weniger fundiert und durch Recherche abgesichert Meinung verbreitet. Die DNA einer Unternehmenskultur wird dadurch aber keineswegs verändert. Konservativ ausgerichtete Organisationen bleiben konservativ (warum sollten sie das durch eine neue Kommunikationstechnologie ändern?), junge und innovative Unternehmen bleiben jung und innovativ. Es ist doch vielmehr so, dass Enterprise 2.0 sich in seiner Ausprägung dem Unternehmen anpasst und nicht umgekehrt. Blog, Wiki & Co. werden daher in unterschiedlichen Funktionstiefen und mit mehr oder weniger Interaktion eingeführt. Die Unternehmenskultur wird vielmehr durch die Menschen verändert, die jetzt aus den Schulen und Universitäten in die Unternehmen nachrücken. Diese Nutzen zwar soziale Medien, sie werden durch diese aber nicht in Ihrer Kultur oder Ihren Handlungsmaximen verändert! Umgekehrt wird doch ein Schuh daraus: Weil die Generation unter 30 so ist, wie sie ist, werden soziale Medien zum Erfolg. Damit ein Mensch sich in seiner Kultur ändert, muss aber dann doch schon mehr passieren!

Enterprise 2.0 und Social Media ändern nicht das Geschäftsmodell

Die Innovationsforschung der letzten 30 Jahre liefert unter dem Stichwort ‚Adaptionstheorie‘ eine Fülle an Nachweisen, welche Unternehmen Technologien wie adaptieren. Hier wird unterschieden zwischen Innovationen, die den Markt in kurzer Zeit radikal verändern („disruptive innovation“) und Innovationen, die sich eher evolutionär und kontinuierlich entwickeln (siehe z.B. Clayton Christensen oder Everett Rogers). Bezogen auf Enterprise 2.0 oder Social Media kann ich hier bei weitem keine radikale und marktverändernde Technologie feststellen. Vielmehr werden Konzepte, die aus der Kollaborationsforschung und der Untersuchung von soziotechnischen Systemen wohl bekannt sind, mit neuen Technologien endlich besser und nutzerfreundlicher umgesetzt. Der Einbezug von Kunden via Facebook oder Twitter in Produktentwicklung oder Vertrieb ist doch nicht wirklich revolutionär, sondern bedient einen neuen technischen Kanal. Man recherchiere bitte einmal im Bereich der Soziologie unter ‚Soziale Netzwerke‚. Und huch: Der Begriff wurde zur Kolonialzeit an der Manchester School entwickelt.

Fazit:

Enterprise 2.0  und Social Media sind keineswegs die Ursache für radikale Änderungen in Unternehmen. Vielmehr sind sie Ausdruck neuer Kommunikations- und Arbeitsformen, die in Unternehmen abgestimmt auf die jeweilige Organisation und Kultur mit Bedacht eingeführt werden sollten. Denn: Die junge Generation ist über diese Medien extrem produktiv und kann eingebettet in die Unternehmensorganisation dadurch sicher einen wertvolleren Beitrag leisten.

So, und nu Feuer frei! Ich freue mich auf eine kontroverse Diskussion.

 

Sie haben Fragen?
Sprechen Sie uns gern an!