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Enterprise 2.0 und das Leid der Nutzer

Die Einführung von Enterprise 2.0 bedeutet, das Konzept des ‚user generated’ content und die Mechanismen sozialer Netze innerhalb von Unternehmen zu nutzen. Wesentliche Bereiche sind dabei die Unterstützung der Projektarbeit, die stärkere Explizierung von Wissen und die bessere Vernetzung der Mitarbeiter untereinander. Das Unternehmen soll innovativer werden, Produkte schneller entwickeln oder Dienstleistungen qualitativ besser erbringen können.

Über die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen oder auch Risiken von Enterprise 2.0 findet sich viel in den einschlägigen Veröffentlichungen. Ein wesentlicher Aspekt, der sich in unseren Projekten immer wieder gezeigt hat, wird aus unserer Sicht jedoch zu wenig beleuchtet: Wie kommt Enterprise 2.0 denn bei den Nutzern an? Auf welche Umgebung trifft das neue Konzept im Arbeitsalltag? Dazu hier einige konstruktive Gedanken.

Überflutung mit neuen Anwendungen

Typische Bausteine einer Enterprise 2.0-Suite sind Blogs, Wikis, ein interaktives Adressbuch (People Application) und Kollaborationsräume. Obwohl Wikis und Blogs weitgehend dem Webstandard in Benutzerführung und User Interface folgen, werden mit solch einer Suite jedoch mindestens 3-4 neue Anwendungen mit jeweils eigener Logik ausgerollt, die der Nutzer für die Inhaltsbereitstellung bedienen muss und auch als neue Anwendungen empfindet. Aus Erhebungen bei der Einführung von Portalen wissen wir, dass der typische Informationsarbeiter durchschnittlich max. 4-5 Haupt-Anwendungen bedient: MS Office, Mail, SAP/ERP, und 1-2 Fachanwendungen (CAD, Datenbankapplikationen etc.). Das Intranet ist z.B. mit einer durchschnittlichen Nutzung von max. 5 Minuten pro Tag aus Sicht des Anwenders eher eine Randerscheinung oder reiner Absprungpunkt zu Webanwendungen. Fazit: Mit Enterprise 2.0 wird die persönliche Applikationslandschaft fast verdoppelt und durch die Kombination mit einem Intranet 2.0 auch noch mit einer bisher eher unwichtigen ‚Anwendung’ gekoppelt!

Überflutung mit neuen Informationen

Mit Enterprise 2.0 und ‚sozialen Plattformen’ ist eine Vielzahl von Benachrichtigungen über neue Inhalte und ‚Bewegungen’ im eigenen Netzwerk verbunden. Diese müssen zwar nicht zwingend per Mail erfolgen, wollen aber wahrgenommen und nachverfolgt werden. Mitarbeiter beklagen aber schon heute durch die Einführung von Self-Services und Instant-Messaging-Plattformen die Überflutung mit Informationen und Workflow-Aufgaben. Die Aufmerksamkeit, die für Enterprise 2.0-Plattformen nötig ist, wird daher nur von wenigen ‚Enthusiasten’ mit Freude aufgebracht werden. Das Gros aller Mitarbeiter wird die neue digitale Arbeitswelt erst einmal als zusätzliche Arbeitslast und ‚Kommunikationsrauschen’ empfinden.

Linderung durch Integration

Die Schmerzen der Anwender können jedoch durch integrierte Lösungen und eine Verbesserung der individuellen Arbeitsweise gemildert werden:

Integrierter Ansatz

Bei Enterprise 2.0-Landschaften sollte eher auf einen integrierten Ansatz geachtet und nicht eine Sammlung der scheinbar besten Plattformen eingeführt werden. Dadurch wird die Anzahl der unterschiedlich zu bedienenden Oberflächen reduziert und Informationen können einfacher bausteinübergreifend verarbeitet werden (Suche, Tagging, Profildaten, Bewertungen, Aktivitäten etc.).

Teamorientierte Ablage

Die digitale Arbeitsorganisation sollte von einer personenbezogenen auf eine teamorientierte Inhaltsbereitstellung umgestellt werden. Dadurch wird der Abstimmungsaufwand bei der Suche und der Verteilung von Informationen signifikant gesenkt und so Freiraum für Enterprise 2.0 geschaffen.

Tägliche Arbeitsumgebung

Die Inhaltsbereitstellung für Blogs, Wikis und Kollaborationsräume sollte in die tägliche Arbeit integriert werden und keine zusätzliche Last erzeugen, z.B. keine Meeting-Protokolle als Dokument mehr erzeugen, sondern im Meeting direkt gemeinsam eine Wiki-Seite oder ein Blog befüllen. Dies senkt die Aufwände bei Vor- und Nachbereitung von Besprechungen und schafft sofort verfügbare Zeit für alle Beteiligten.

Die Inhaltsbereitstellung sollte eng an die gewohnten Anwendungen gekoppelt werden (dieser Beitrag wurde z.B. mit MS Word geschrieben und von dort in unserem Web-Blog veröffentlicht). Dadurch bleibt der Anwender erst einmal in seinem bekannten Arbeitsumfeld und kann langsam an die neuen Plattformen herangeführt werden.

Persönliches Enterprise 2.0 Cockpit

Für jeden Nutzer sollte eine persönliche Cockpit-Seite angeboten werden, die konsolidiert und übersichtlich seine Benachrichtigungen und Neuigkeiten aus dem Netzwerk anzeigt (XING ist hier ein gutes Beispiel). Das Mittel der Mailbenachrichtigung sollte nur sehr sparsam verwendet werden (z.B. bei Benachrichtigungen zu neuen Inhalten, Aufgaben etc. mit direktem Link zum Inhalt oder der Aufgabe). Die Cockpit-Seite ist ein zentrales Element bei der Kommunikation von Enterprise 2.0 an die Mitarbeiter und damit ein wichtiges Element in der Einführungsphase und für das Change Management.

Aufgeräumte Informationslandschaft

Bestehende Informationsquellen (Intranet, Teamräume etc.) sollten entschlackt oder abgeschaltet werden, so dass die Einführung von Enterprise 2.0 für den Anwender mit einer klaren und aufgeräumten Informationslandschaft verbunden ist. Der Anwender muss einfach und intuitiv erkennen können, welche Bausteine für bestimmte Informationsarbeiten (Info Use Cases) zu nutzen sind und wo er Inhalte ablegen und auch wiederfinden kann.

Fazit

Die Lösung liegt also stark in einer Betrachtung und Umstellung der persönlichen Arbeitsweise der Mitarbeiter. Wir verstehen das als Kernbestandteil des Change Management und als wesentlichen Erfolgsfaktor bei der Einführung von Enterprise 2.0.

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